Blutzucker messen mit der Smartwatch: Geht es schon ohne Pieks? (2024)

Blutzucker-Smartwatches im Test

Foto: COMPUTER BILD, Stock/ILezz

Uhr

Timo Schurwanz

Janina Carlsen

Im Internet werden günstige Smartwatches für Diabetiker beworben, die neben der Fitness auch den Blutzucker messen sollen – ohne Piksen. Kann das gelingen? Der Test.

Es ist eine der Volkskrankheiten: In Deutschland leiden 8,7 Millionen Menschen unter Diabetes, jedes Jahr kommen mehr als 500.000 neue hinzu. Die eine Hälfte der Erkrankten bekommt das mithilfe von Medikamenten gut in den Griff, für die andere ist die Krankheit eine tägliche Herausforderung: Sie müssen ständig ihre Blutzuckerwerte überprüfen, um sie bei Bedarf mit Insulin zu drosseln. Oder es braucht umgekehrt dringend Kohlehydrate, damit der Diabetiker nicht in eine lebensgefährliche Unterzuckerung rutscht.

Da wäre es doch bequem, wenn das Messen des Blutzuckers eine Smartwatch übernehmen würde – und zwar "nicht invasiv", also schmerzfrei und ohne Blut. Preisgünstige Wearables, die es im China-Shop Temu oder bei Amazon gibt, versprechen genau das. Wir waren skeptisch und haben genau nachgemessen, ob die Schnäppchen-Uhren als Blutzucker-Manager und Fitness-Coach taugen.

Die besten Smartwatches

Platz

1

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Testnote

1,4

sehr gut

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Testsieger

Apple

Watch Series 8

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2

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Testnote

1,4

sehr gut

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Apple

Watch Series 9

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Platz

3

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Apple

Watch Series 10

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4

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Testnote

1,5

gut

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Apple

Watch Ultra

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5

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Testnote

1,5

gut

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Apple

Watch Ultra 2

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6

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Testnote

1,6

gut

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Apple

Watch SE 2022

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7

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Testnote

1,7

gut

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Samsung

Galaxy Watch 6

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8

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Testnote

1,7

gut

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Samsung

Galaxy Watch 7

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9

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Testnote

1,8

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Samsung

Galaxy Watch 5

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10

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Testnote

1,8

gut

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Samsung

Galaxy Watch 6 Classic

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Komplette Liste: Die besten Smartwatches

Massig Angebote, drei im Test

Für den Test kauften wir bei Amazon exemplarisch drei Uhren für unter 90 Euro und nahmen zunächst die Funktionen für Diabetiker unter die Lupe. Redakteur Timo Schurwanz ist seit Jahren Diabetiker und hat seine bewährten Methoden zum Ermitteln des Blutzuckers gegen die smarten Uhren eingetauscht. Die sollen die benötigten Werte jederzeit auf dem kleinen Display präsentieren. Wie genau das klappen soll, darüber hüllen sich die Hersteller in Schweigen. An keiner Stelle in Produktbeschreibung, Bedienungsanleitung oder gekoppelter Handy-App gab es detaillierte Infos dazu, wie die Uhren die Messdaten berechnen oder welche Sensoren dafür zum Einsatz kommen.

Bei allen drei Modellen genügte es, die Blutzucker-App zu öffnen und die Messung mit einen Fingertipp zu starten. Dann war etwas Geduld gefragt: Bis zu einer Minute dauerte es, bis der Wert erschien. Aber passen die Messdaten? Dazu checkte der Tester gegen: also in den Finger piksen, das Blut auf einem Messstreifen platzieren und das Lesegerät befragen. Das Ergebnis war so erwartbar wie erschütternd.

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Hier Werte, da nur Tendenzen

Alle Uhren waren für jeweils zehn Tage auf dem Prüfstand. Waren die Blutzuckerwerte im grünen Bereich und kein Handeln erforderlich, gab es bei der Yueshan T30 und der Souyie T90 Fashion noch einigermaßen genaue Werte. Das heißt: Zeigte die bewährte Blutmessung einen optimalen Wert von 120 mg/dL (Zuckermoleküle in Milligramm/Blutmenge in Deziliter), schwankten die Uhren zwischen 90 und 170. Für die Statistik: Die T30 hatte nach Ende des Testzeitraums im Schnitt 45 mg/dL danebengelegen, die T90 42 mg/dL.

Im Fall der Marsyu F16 ließ sich das nicht genau berechnen, denn die Uhr wollte sich nicht genau festlegen. Ihr ließ sich nur ein "Niedrig", "Normal" oder "Hoch" entlocken. Welche Werte oder Messbereiche dahintersteckten, ist unklar.

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Uhr: alles okay – Patient: tot!

Das Problem bei allen drei Watches: Unbedenkliche Werte waren regelmäßig auch dann auf den Displays ablesbar, wenn nachweislich – und durch Messung per Blut bestätigt – der Zucker deutlich darunter oder darüber lag. Also immer dann, wenn der Diabetiker schleunigst aktiv werden muss, um schädlichen Höchstwerten oder gefährlichen Niedrigwerten entgegenzuwirken, ließen die Watches den Tester in trügerischer Sicherheit.

Das ist nicht ungefährlich: Hätte sich der Tester allein auf die Uhren verlassen, hätte er damit seinem Körper geschadet, sobald die Werte in schwindelerregende Höhen sausen – und dort verweilen (Hyperglykämie). Ist das über mehrere Stunden oder länger der Fall, kann das mit einem diabetischen Koma im Krankenhaus enden.

Ebenso fatal ist es, wenn der Zucker in den Keller rutscht. Die Hypoglykämie kann zu Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit führen. In diesem Fall hilft nur noch der Notarzt und der Einsatz einer hormonbasierten Glukagon-Spritze, sonst droht Lebensgefahr.

Wird klappen, dauert aber noch

Eine zuverlässige Blutzuckermessung per Smartwatch ist nicht ausgeschlossen. Das belegen erste Versuche, die etwa Apple mit seiner Watch unternimmt. Auch Samsung, Xiaomi und Huawei werkeln an Funktionen und Sensoren, die eine zuverlässige, nicht invasive Messung ermöglichen sollen. Marktreif ist das aber noch lange nicht. Bis seriöse Hersteller eine Blutzucker-Watch an den Start bringen, wird es wohl noch viele Jahre dauern.

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Und sonst? Andere Funktionen

Können die Uhren immerhin in den anderen Bereichen überzeugen? Nein, lautet die knappe Antwort. Denn auch abseits der mangelhaften Blutzuckermessung sind die drei Uhren nicht mehr als schlechte Klone der großen Hersteller. Im Test lagen alle drei Kandidaten bei der Messung der Herzfrequenz massiv daneben. Die Souyie T90 warnte sogar teils vor massiv zu hoher Herzfrequenz, wenn sie eingeschaltet mit dem Sensor nach unten auf der Tischplatte lag.

Da überrascht es wenig, dass auch die Schlaferkennung mehr schlecht als recht funktioniert. Die Modelle unterscheiden ohnehin nur zwischen leichtem Schlaf und Tiefschlaf. Wachphasen oder REM-Phasen werden nicht erfasst. Teils ist dann auch noch die erfasste Zeit falsch.

Die Yueshan-Uhr verspricht sogar ein EKG, die anderen Uhren rühmen sich immerhin mit der Messung des Blutdrucks. Auch hier gilt: Die Werte sind mit großer Vorsicht zu genießen und sollten in keinem Fall als medizinische Einschätzung genutzt werden. Nicht ohne Grund müssen solche Versprechen in der EU in der Regel aufwendig zertifiziert werden. Bislang gibt es mit der Huawei Watch D nur eine Uhr, die ohne zusätzliche Kalibrierung den Blutdruck messen kann. Samsung setzt das Ganze nur mit einer zusätzlichen Kalibrierung mit einem Blutdruckmessgerät um.

Schlecht geklaut

Die Marsyu-Uhr fiel im Test nicht nur mit massiv falschen Werten auf. Bei einem Blick auf die Bedienung und das Menü wird schnell klar, dass sich der Hersteller klar von Apple hat "inspirieren" lassen. Die Übersetzung der einzelnen Punkte ist hingegen nicht gelungen. Sie sorgt höchstens für Belustigung.

Smart sind die Uhren – wenig überraschend – ebenfalls nicht. Sie zeigen maximal Nachrichten an, und Anrufe lassen sich annehmen oder ablehnen. Die App-Auswahl ist sehr begrenzt und lässt sich nicht erweitern. Bei der T90 und der T30 erschwerte zudem die H-Band-App die Nutzung: Die App trennt immer wieder die Verbindung, und dann lassen sich nicht einmal mehr Musik fernsteuern oder Nachrichten empfangen.

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Sport nur eingeschränkt

Wer nun zumindest auf diverse Sportmodi und eine gründliche Erfassung hofft, wird ebenfalls enttäuscht. Denn auch hier gibt es bei den Testkandidaten nichts zu holen. Die Werbung verspricht über 100 Sportmodi, in der Praxis sind es nicht mehr als zwanzig. Auch GPS oder ein Barometer fehlen – damit ist das Erfassen der Strecke beim Training erheblich erschwert. Zudem fehlen bekannte Modi wie etwa ein Schwimmmodus.

Das liegt allerdings auch daran, dass zwei von drei Uhren ohnehin für diese Zwecke nicht ausgelegt sind. Die Yueshan-Uhr soll zwar laut Hersteller nach IP68 als staub- und wasserdicht zertifiziert sein, allerdings ist das mehr als fragwürdig. Denn nach dem Tauchgang in der Wassersäule des Testlabors flackerte das Display. Beim nächsten Ladeprozess zeigte die Uhr zunächst noch etwas an, bevor das Display schließlich erlosch. Damit ist die Uhr nutzlos, denn sie lässt sich zwar noch mit der App verbinden, aber eine Bedienung ist unmöglich.

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Was sagt Amazon?

Wir fragten auch bei Amazon nach, warum solche Modelle immer wieder unter neuen Namen auf der Webseite auftauchen können. Eine Sprecherin des Unternehmens erklärt dazu: "Die Sicherheit unserer Kunden hat oberste Priorität, und wir möchten, dass sie vertrauensvoll bei Amazon einkaufen können." Das Unternehmen ergriffe Maßnahmen, um zu verhindern, dass verdächtige Produkte oder Produkte, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprächen, bei Amazon gelistet würden. Der Versandhändler geht laut eigener Aussage gegebenenfalls noch weiter: "Wir entfernen proaktiv Produkte im Falle von Produktsicherheitsbedenken." Und wie steht es um die fragwürdigen Blutzucker-Uhren aus Fernost? Dazu die Amazon-Sprecherin: "Die Verkaufspartner sind unabhängige Unternehmen und müssen sich beim Verkauf in unserem Store an unsere Richtlinien halten. Die entsprechenden Produkte sind nicht mehr verfügbar."

Zumindest im letzten Punkt hat Amazon Recht: Alle von uns bestellten Produkte sind zumindest bei Amazon nicht mehr erhältlich. Dennoch scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Uhren erneut unter einer anderen Bezeichnung bei Amazon auftauchen.

Ist die Werbung erlaubt?

Wir fragten auch bei Anwalt Christian Solmecke nach, ob diese Werbung erlaubt ist. Seine Antwort ist klar: "Bei der Bewerbung von Produkten ist es wichtig, dass die Aussagen wahrheitsgemäß sind und die Verbraucher nicht in die Irre geführt werden. Unternehmen, die falsche oder irreführende Informationen über ihre Produkte verbreiten, können nach dem Wettbewerbsrecht abgemahnt werden. Besonders strenge Vorgaben gelten hier für Aussagen, die die Gesundheit des Körpers betreffen. Dazu gehört die Werbung mit Eigenschaften von Produkten, die Krankheiten erkennen können. Das Heilmittelwerbegesetz (kurz HWG) regelt solche Aussagen und schreibt vor, dass Werbung irreführend ist, die einem Produkt eine bestimmte Wirkung zuschreibt, [...] die nicht nachgewiesen ist. Produkte wie beispielsweise Gesundheits-Apps oder Tracker können unter den Anwendungsbereich des HWG fallen, wenn in der Werbung ein Bezug zu Krankheiten hergestellt wird. Dies gilt aber nicht für reine Fitnessprodukte. Eine irreführende Werbung nach diesem Gesetz ist sogar mit Geld- oder Freiheitsstrafe bedroht und kann daneben natürlich auch abgemahnt werden. Werden also Smartwatches damit beworben, dass sie den Blutzuckergehalt messen können, obwohl dies nicht der Fall ist, kann das eine irreführende und damit illegale Werbung darstellen."

Fazit: Blutzucker messen mit der Smartwatch

Den Blutzucker nicht invasiv mit der Smartwatch messen? Das bleibt noch ein Traum. Die getesteten "Diabetiker-Uhren" für unter 100 Euro konnten ihr Versprechen nicht einhalten, versagten bei der Erkennung gefährlicher Blutzuckerwerte. Das ist im schlimmsten Fall lebensgefährlich. Auch sonst patzten die Uhren, entpuppten sich teils als absurd schlechte Apple-Watch-Klone. Vom Kauf ist dringend abzuraten.

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Author: Reed Wilderman

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